ADFC-Fahrradklima-Test 2020 in Baden-Württemberg

Unbefriedigende Infrastruktur im „fahrradfreundlichen“ Baden-Württemberg

Wo in Baden-Württemberg bedeutet Radfahren Spaß und wo Stress? Wie sicher fühlen sich Radfahrende hier und wo müssen Städte für einen besseren Radverkehr ansetzen?

Antworten auf diese Fragen gibt der ADFC-Fahrradklima-Test 2020. Die große Online-Umfrage fand im Herbst vergangenen Jahres zum neunten Mal statt, mit einer Rekordteilnahme von bundesweit fast 230.000 Teilnehmer*innen.

In Baden-Württemberg nahmen mehr als 26.000 Radfahrende teil, das ist ein Zuwachs von 28 Prozent gegenüber 2018. Auch bei den Kommunen gab es einen erfreulichen Zuwachs um gut 50 Prozent auf 164 Kommunen. Alle Städte in Baden-Württemberg mit mehr als 50.000 Einwohner*innen sind in der Auswertung. Die Datenlage ist also so gut wie noch nie.

Erfreulich ist zunächst, dass gleich fünf Städte unter den 18 bundesweiten Spitzenreitern aus Baden-Württemberg kommen. In unterschiedlichen Städtegrößenklassen sind dies

  • Karlsruhe
  • Freiburg i.Br.
  • Heidelberg
  • Konstanz
  • Rutesheim

Karlsruhe bleibt wie schon vor zwei Jahren die fahrradfreundlichste Großstadt Deutschlands (über 100.000 Einwohner*innen). Man konnte sich sogar leicht von 3,15 auf 3,07 verbessern. Hinter dem Sieger folgt Münster mit einer Wertung von 3,17.

Auch bei den Städten, die sich bundesweit am deutlichsten in der Wertung verbesserten, kommen zwei von sechs Städten aus dem Ländle:

  • Böblingen
  • Gaildorf

Zwar erzielen die Kommunen in Baden-Württemberg seit 2018 im bundesweiten Vergleich bessere Noten, das Niveau bleibt mit einer Gesamtnote 3,83 allerdings auf niedrigem Niveau. Signifikante Verbesserungen zu den Ergebnissen der Vorjahre sind nicht erkennbar.

 

Fazit des ADFC Baden-Württemberg

Trotz Fahrradboom haben sich der Spaß und das Sicherheitsgefühl beim Radfahren in Baden-Württemberg nicht verbessert. Die Bewertungen sind schlechter als in den Vorjahren.

„Die Mobilitätswende in Baden-Württemberg steckt im Stau“, resümiert die ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke das Ergebnis des ADFC-Fahrradklima-Tests 2020. Die Radfahrer*innen im Land stellen ihren Städten und Gemeinden mit der Durchschnittsnote 3,8 ein mieses Zeugnis aus und bescheinigen ihnen damit ein unbefriedigendes Fahrradklima.

Das Bundesland liegt zwar leicht über dem bundesweiten Durchschnitt (4,0), was allerdings nur Kategorien wie „Verfügbarkeit von Leihrädern“ oder „Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr“ zu verdanken ist – die von den Radfahrenden in Baden-Württemberg besser bewertet werden als in anderen Bundesländern. „Im eigentlich wichtigen Kernbereich, der Radinfrastruktur, schneidet Baden-Württemberg genauso schlecht ab wie alle anderen“, so Zühlke. Im Land, das „Vorradler“ sein will, habe sich in den vergangenen zwei Jahren nur wenig verbessert.

„Insgesamt muss die Situation für Radfahrende in Baden-Württemberg besser werden – ein ‚Ausreichend‘ ist für die notwendige Mobilitätswende einfach nicht genug!“, sagt Zühlke. 90 Prozent der Befragten des Fahrradklima-Tests gaben an, dass ihnen die Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer*in und das Sicherheitsgefühl besonders wichtig ist. Doch Baden-Württemberg schafft es noch nicht, in diesen Bereichen Akzente zu setzen: Die Fahrradklima-Test-Ergebnisse machen klar, dass sich Radfahrer*innen in Baden-Württemberg weder sicher noch komfortabel fortbewegen können.

Probleme: Radwege zu schmal, Falschparker, Konflikte mit Autoverkehr

Besonders unzufrieden sind die Radfahrenden mit der schlechten Führung an Baustellen (4,6) und den zu laschen Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen (Note 4,6). Zudem bemängeln die Radfahrenden die fehlende Breite von Radwegen (4,5) und ungünstige Ampelschaltungen für den Radverkehr (4,5). Ergänzend kritisieren in den größeren Städten Radfahrende Konflikte mit dem Kfz-Verkehr (4,3).

Gefüllte Fördertöpfe lassen für die Zukunft hoffen

Trotz Fahrradboom in der Corona-Krise gibt es keine verbesserte Infrastruktur. „Dabei sind die finanziellen Mittel dafür da: Die Fördertöpfe sind gefüllt“, so Zühlke. Mit den Geldern aus dem baden-württembergischen Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) und aus dem Sonderprogramm „Stadt und Land“ des Bundes könne ein Fördersatz von 90 Prozent erreicht werden. „Doch die vorhandenen Fördertöpfe zeigen bei den Gemeinden noch keine flächendeckende Wirkung“, so die Landesvorsitzende.  „Es liegt jetzt an der lokalen Politik in den Gemeinden und Städten. Sie müssen ihre Verwaltungen damit beauftragen, schnellstmöglich eine zukunftsgerichtete Radinfrastruktur zu schaffen.“ Probleme wie Falschparker und Baustellen können sofort angegangen werden.

Konkrete Lösungen statt „Weiter-so-wie-bisher“

Damit die Mobilitätswende nicht im Stau stecken bleibt, ist es für den ADFC essenziell, den Ausbau eines flächendeckendes Radnetzes endlich voranzubringen: „Es muss heißen: Bauen, bauen, bauen – eine komfortable und sichere Infrastruktur schaffen und nicht an den Mindestmaßnahmen und -standards langzuhangeln. Das wird dem aktuellen Trend und der zukünftigen Anzahl Radfahrender nicht gerecht“, so Zühlke. Radwege müssen ausreichend breit gestaltet werden, damit sie der wachsenden Nachfrage auch in der Zukunft gerecht werden. „Dafür muss eine Umverteilung der vorhandenen Verkehrsfläche zu Gunsten des Radverkehrs mutig angegangen werden und darf nicht zu Lasten des Fußverkehrs gehen.“ Damit das Sicherheitsgefühl der  Radfahrenden im Land steigt, gelte es außerdem, die Straßenverkehrsordnung (StVO) konsequent anzuwenden und die Einhaltung zu kontrollieren. „Es gibt bereits einen Falschparker-Erlass sowie einen festgeschriebenen Überholabstand von 1,5 Metern– doch überwacht wird das so gut wie gar nicht“, bemängelt der ADFC.

Für den Fahrradclub müssen die Verkehrswende und Radfahrende bei sämtlichen stadtplanerischen Angelegenheiten oder auch bei geplanten Baumaßnahmen mitgedacht werden. Für die notwendige Verbindlichkeit fordert der ADFC ein Radgesetz – auch als Teil eines Mobilitätsgesetzes. „Das Mobilitätsziel des Landes, dass bis 2030 über 50 Prozent der Wege selbstaktiv, also mit dem Rad und zu Fuß zurückgelegt werden, verstehen wir dabei als anzustrebendes Minimum“, so Zühlke. Ein „Weiter-so-wie- bisher“ wird allerdings nicht ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen und um den Radfahrenden im Land künftig ein besseres Sicherheitsgefühl zu vermitteln.

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Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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